REthinking: Law (bis Ausgabe 4/2023)
Incomplete Contracts: Eine Sisyphusaufgabe für Legal Tech-Fans

Incomplete Contracts: Eine Sisyphusaufgabe für Legal Tech-Fans

Tom Brägelmann

Im Jahr 2016 hat Oliver Hart für seine Forschung zum Problem der „incomplete contracts“ den  Wirtschafts-Nobelpreis erhalten. Verträge sind oft schwammig, „fuzzy“, selbst wenn sie nicht in Zeitnot formuliert und verhandelt wurden. Ein Vertrag kann nicht alle Eventualitäten prophezeien oder wie sich Wirklichkeit und Gesetzeslage entwickeln. Vertragsparteien haben auch nicht die Möglichkeit, in Dauerverhandlungen immer wieder ihre Vertragsbeziehungen auszutarieren. Die Frage ist: Wie kann eine optimale Verteilung der „control rights“ aussehen, also: Welche Vertragspartei soll unter welchen Umständen entscheidungsberechtigt sein? Legal Tech kann da helfen, aber das Problem wird nie weggehen.

Nun könnte man mit Kelsen argumentieren, dass es Unvollständigkeit, Lücken („gaps“) gar nicht gibt (in Gesetzen und Verträgen), weil eine (freiheitliche) Rechtsordnung jedes Verhalten von Parteien erlaubt, wenn die Rechtsordnung es nicht verbietet oder ein anderes Verhalten anordnet. Das